Niedergelassene Ärzte raten zu Impfstraße

24.03.2021

Auch Tirols niedergelassene Ärztinnen und Ärzte impfen ab jetzt gegen Covid-19, erhalten allerdings nur wenige Dosen. Der logistische Aufwand ist zudem enorm. Viele empfehlen Impfwilligen daher, sich an einer Impfstraße vorzumerken, um schneller dranzukommen.

Die Covid-19-Impfung erfolgt in Tirol in Impfstraßen, Krankenanstalten und Servicestellen der Österreichischen Gesundheitskasse. Darüber hinaus bieten auch rund 600 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte die Immunisierung mit Biontech und Pfizer sowie AstraZeneca an. Pro Geimpftem werden sie mit 45 Euro entschädigt. Diese Impfungen in den Praxen laufen derzeit in Tirol an.

Vor allem ältere Menschen, oft mit Vorerkrankungen, hätten sich bei den Hausärztinnen und Hausärzten für die Impfung vorgemerkt. Sie würden jetzt aber enttäuscht, kritisierte Ärztekammer-Präsident Arthur Wechselberger: „Die haben sich gesagt: Mein Vertrauensarzt kennt mein Risiko und wird mich entsprechend einreihen, dass ich rasch drankomme. All diese Personen müssen jetzt erfahren, dass viel Jüngere ohne Risiko in den Impfstraßen vorgezogen werden. Das ist eine zutiefst ungedeihliche Situation, die dringend geändert werden muss“, so Wechselberger. Er forderte, dass vorgemerkte Menschen sofort kontaktiert werden, sobald ein Impfstoff für sie verfügbar ist, egal welchen Wunschimpfort sie ursprünglich angegeben haben.

„Lächerlich kleine Mengen“ an Impfdosen
Derzeit raten viele Tiroler Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten nämlich, sich an einer Impfstraße vorzumerken, denn den Praxen fehlt der Impfstoff. Für alle Niedergelassenen in Tirol stehen derzeit rund 8.300 Dosen zur Verfügung. Vergangene Woche gab es etwa zwei Fläschchen pro Praxis im Bezirk Innsbruck-Land, was für etwa 20 bis 22 Impfdosen reicht. In anderen Bezirken gab es drei Ampullen – also etwa 30 bis 33 Dosen. Vielerorts wollen sich aber bis zu tausend Menschen in einer Praxis impfen lassen. Kommt nicht mehr Impfstoff, dauert es viele Monate, alle Voranmeldungen abzuarbeiten.

„Es gibt derzeit viel zu wenig Impfstoff, um auch nur annähernd unseren Bedarf zu decken“, kritisierte Wechselberger. Das große Problem sei, dass niemand wisse, wann sich das ändere. „Alle in Innsbruck-Stadt haben noch überhaupt keine Impfdosis erhalten. Bei den anderen sind die Mengen so lächerlich klein, dass es nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist. Wenn das so weitergeht, werden die Ärztinnen und Ärzte in einem Jahr noch immer impfen, und die Impfwilligen werden noch immer warten müssen“, fürchtete der Kammerpräsident.

Impflogistik bringt Praxen an ihre Grenzen
Bis zur Impfung in den Praxen ist es zudem ein langer und aufwendiger Weg: Die Ärztinnen und Ärzte müssen zunächst online abrufen, wer sich bei ihnen angemeldet hat. Viele haben zudem eigene Listen geführt, die nun mit den Onlinevormerkungen abgeglichen werden müssen. Anschließend müssen die Impfwilligen nach Alter oder ihren Vorerkrankungen gereiht werden. Es muss außerdem geklärt werden, wann wie viel Impfstoff zur Verfügung steht. Dieser wird an Apotheken geliefert und von dort weiter in die Praxen.

Erst dann können konkrete Termine vereinbart und eine Back-up-Liste für eventuelle Ausfälle erstellt werden. All das gilt es, neben dem Tagesgeschäft abzuwickeln. „Die Administration erdrückt die Arztpraxen, wir sollen das alles über Wochen und Monate stemmen. Das ist nicht schaffbar“, zeigte sich Wechselberger überzeugt. „Das verzögert die Impfungen weiter, dabei geht es jetzt um Schnelligkeit!“

Tilg sieht Verpflichtung der Ärzte
Der zuständige Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) verwies darauf, dass es eine getroffene Vereinbarung auf Bundesebene gebe, welche Aufgaben die Ordinationen zu leisten hätten. Auch die Ärztekammer habe hier zugestimmt: „Natürlich ist es viel Arbeit, aber es ist auch wichtig, dass man seine Patienten begleitet und auch die Termingestaltung macht. Wir verstehen, dass das mit Aufwänden verbunden ist, aber man hat hier versucht, mit der Ärztekammer ein bundesweites Vorgehen festzulegen, und dieses Paket wird natürlich auch in Tirol umgesetzt.“

Er verstehe die Kritik, was die anfallende Administrationsarbeit angehe. Dass Menschen in Impfstraßen schneller drankommen, wollte Tilg nicht bestätigen: „Ich will jetzt nicht sagen, dass es in Impfstraßen schneller oder langsamer geht, aber logistisch ist eine Impfstraße anders aufgestellt wie eine Ordination. Jetzt sieht man vielleicht im operativen Umsetzen da und dort, wo es hakt. Wenn sich bei gewissen Ärzten viele Personen gemeldet haben, wird es wichtig sein, dass man den Verweis macht, dass auch die Möglichkeit einer Impfstraße besteht. Da kann es notwendig sein, dass eine Umorientierung stattfindet“, relativierte Tilg.

Bezirke sollen weitere Impfstraßen bekommen
Die Impfmöglichkeit in den Arztpraxen stelle eine wichtige Ergänzung zu den öffentlichen Impfstraßen dar, hieß es vom Land. Man sei bemüht, Impfstoff zuzuteilen, es herrsche aber Knappheit. Man hoffe, „Richtung April“ mehr Dosen zu bekommen, um alle Systempartner gut zu versorgen. Bis Juni wolle man jedenfalls rund 50.000 Impfungen pro Woche in Tirol erreichen, so Tilg.

Die Kapazitäten der öffentlichen Impfstraßen sollen ausgebaut werden: In drei bis vier Wochen soll es in Bezirkshauptstädten und größeren Ballungsräumen zusätzlich weitere große Impfstraßen geben, die in Veranstaltungszentren untergebracht sind. Damit sollen dann auch die Arztpraxen entlastet werden, so das Land.

Roberta Hofer, tirol.orf.at

https://tirol.orf.at/stories/3095934/ 

zurück