Erwachsenenschutz-Gesetz

Am 1. Juli 2018 trat das Erwachsenenschutzgesetz in Kraft und löste das bisherige Sachwalterrecht ab. Sachwalterinnen/Sachwalter heißen ab dann "gerichtliche Erwachsenenvertreterinnen“/“gerichtliche Erwachsenenvertreter“. Ziel der Neuerungen ist es, die Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit der betroffenen Personen möglichst lange und umfassend zu erhalten.

Im Mittelpunkt steht dabei das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen zu stärken. Es wird daher nicht nur die Terminologie verändert, sondern kommt es auch bei den Vertretungsformen zu Änderungen.

Die "4 Säulen" der Erwachsenenvertretung:

  1. Säule: Vorsorgevollmacht
  2. Säule: Gewählte Erwachsenenvertretung
  3. Säule: Gesetzliche Erwachsenenvertretung
  4. Säule: Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Die vier Säulen sollen subsidiär zur Anwendung kommen, was durch die Reihenfolge, in der sie im Gesetz genannt sind, zum Ausdruck kommen soll.
Allen Vertretungsformen ist gemein, dass sie in das Österreichische Zentrale Verwaltungsregister (ÖZVV) einzutragen sind.

Vorsorgevollmacht

Die größtmögliche Form der Selbstbestimmung ist die Errichtung einer Vorsorgevollmacht. Hier hält eine Person vorsorglich, also noch im Zustand ihrer vollen Entscheidungsfähigkeit fest, wer nach Verlust ihrer Handlungsfähigkeit für sie als Bevollmächtigte/Bevollmächtigter auftreten darf. Es können auch mehrere Personen bevollmächtigt werden. Die Vollmacht wird erst im sogenannten "Vorsorgefall", also wenn die betroffene Person für die von der Vollmacht umfassten Angelegenheiten nicht mehr entscheidungsfähig ist, wirksam.

Gewählte Erwachsenenvertretung

Die gewählte Erwachsenenvertretung ist eine ab 1. Juli 2018 gänzlich neu eingeführte Vertretungsform. Sie ist für jene Fälle gedacht, in denen nicht rechtzeitig vorgesorgt wurde.
Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht kann eine Person auch dann eine gewählte/n Erwachsenenvertreter/in bestimmen, wenn sie nicht mehr voll handlungsfähig ist. Voraussetzung ist aber, dass sie die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen verstehen und sich entsprechend verhalten kann. Als Vertreterin/Vertreter kann eine nahestehende Person gewählt werden. Verwandtschaft ist dafür nicht Voraussetzung.

Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Die "gesetzliche Erwachsenenvertretung" löst ab 1. Juli 2018 die "Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger" ab. Sie kommt dann in Betracht, wenn keine Vorsorgevollmacht oder gewählte Erwachsenenvertretung mehr möglich ist.
Neu bei dieser Vertretungsbefugnis ist, dass sie nicht mehr wie bisher kraft Gesetzes eintritt, sondern nur dann, wenn sie im ÖZVV eingetragen wurde. Die Eintragung kann bei Notarinnen/Notaren, Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten oder einem Erwachsenenschutzverein erfolgen. Der Kreis der nächsten Angehörigen wurde erweitert. Dazu zählen neben (Groß-)Eltern, volljährigen (Enkel-)Kindern und Partnerinnen/Partnern (Ehe, eingetragene Partnerschaft, im gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährtinnen/Lebensgefährten) nun auch Geschwister sowie Nichten und Neffen und in einer Erwachsenenvertreter-Verfügung genannte Personen. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung verschafft Angehörigen weitergehende Befugnisse als bisher. Die Bereiche sind gesetzlich definiert und beinhalten sämtliche Angelegenheiten einer Person. Die Angehörigen sind in den Bereichen, die ausgewählt werden, vertretungsbefugt. Es können sich auch mehrere Angehörige für unterschiedliche Bereiche eintragen lassen. Die Vertretungsbefugnis endet nach drei Jahren, sie kann aber erneuert werden.

Gerichtliche Erwachsenenvertretung

Die "gerichtliche Erwachsenenvertretung" ersetzt die bisherige Sachwalterschaft. Erst wenn keine der anderen Vertretungsformen möglich ist – zum Beispiel weil keine Angehörigen für eine Vertretung zur Verfügung stehen oder weil die zu besorgenden Angelgenheiten zu komplex sind – soll die gerichtliche Erwachsenenvertretung in Betracht kommen.
Die Befugnisse der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin/des gerichtlichen Erwachsenenvertreters müssen auf bestimmte und aktuell zu besorgende Vertretungshandlungen eingegrenzt werden. Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten kann es künftig nicht mehr geben. Die Handlungsfähigkeit bleibt grundsätzlich vorhanden.
Die Wirkungsdauer einer solchen Vertretung endet mit Erledigung der Aufgabe bzw. spätestens drei Jahre nach Bestellung.

 

Leitfaden und Ärztliches Zeugnis

Darüber hinaus hat die Ärztekammer mit dem Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein sogenanntes "Konsenspapier Erwachsenenschutzrecht für Gesundheitsberufe" erarbeitet. Dieses Papier dient als Leitfaden für Ärztinnen und Arzte bei der medizinischen Behandlung von Menschen, die ihre Entscheidungsfähigkeit (teilweise) verloren haben.

Das notwendige Formular "Ärztliches Zeugnis" für die Eintragung einer gewählten oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung oder des Eintritts des Vorsorgevorfalls einer Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV)" finden Sie hier.

 

Quellen:

Broschüre „Das neue Erwachsenenschutzrecht“, Bundesministerium für Justiz

Homepage oesterreich.gv.at „Erwachsenenschutzrecht (bisher: Sachwalterschaft)“

Artikel „Vom Sachwalter zum Erwachsenenvertreter“, Mag. Andrea Bramböck, ÖÄK, Mitteilungen der Ärztekammer für Tirol 02/2018