Das Thema Aufklärungsverpflichtung und Dokumentationsverpflichtung hat sich aus mehreren Gründen zum zentralen Thema des ärztlichen Haftungsrechts herausgebildet; insbesondere deswegen, weil im zivilrechtlichen Haftungsprozess die Beweislast dem Kläger (d.i. der Patient) zukommt und dieser oft mit dem Beweis, dass der Arzt schuldhaft einen Behandlungsfehler versucht habe, nicht durchzudringen vermag. Aus diesem Grunde versucht man von seiten des Klägers eine Haftung des Arztes dadurch zu begründen, dass man behauptet, der Arzt hätte den Patienten nicht genügend über Diagnose und Therapie aufgeklärt und habe außerdem seine gesetzliche Dokumentationsverpflichtung vernachlässigt.
Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist dieser Argumentationslinie im wesentlichen gefolgt.
1. Aufklärungsverpflichtung
1.1. Worauf gründet sich die Aufklärungspflicht des Arztes?
Die Aufklärungsverpflichtung ergibt sich direkt aus dem Behandlungsvertrag, den der Patient mit dem Arzt/der Ärztin oder Krankenhaus(träger) abschließt.
1.2. Was ist Inhalt der Aufklärungspflicht?
Den Arzt trifft als Teil der Heilbehandlung die Pflicht, den Patienten über Art und Schwere sowie über die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen der Behandlung oder ihrer Unterlassung sowie darüber zu unterrichten, dass daneben auch noch andere, weniger gefährliche, wenngleich vielleicht länger dauernde Behandlungsmethoden Erfolgsaussichten haben.
Aufklärungspflichten bestehen nicht nur dann, wenn die Einwilligung des Patienten zur Durchführung einer ärztlichen Heilbehandlung erreicht werden soll, sondern auch dann, wenn dem Patienten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen ist, ob er eine ärztliche Behandlung unterlassen kann.
In der Praxis stellt sich die Frage, wie weit denn die Aufklärung gehen muss. Generell kann hiezu gesagt werden, dass einerseits das Recht des Patienten auf Selbstbestimmung als auch auf sein Wohl gewahrt bleiben muss, und dass andererseits die vom Arzt zu erwartende Aufklärung erbringbar bleiben muss. Hiebei werden der Grad der Verständigkeit des Patienten und seine seelischen Verfassung, die Art der Erkrankung und der vorgesehenen Behandlung, mögliche Risiken und Komplikationen, aber auch mögliche alternative Behandlungsmethoden ausschlaggebend sein.
Nach der geltenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat sich der Arzt in erster Linie am Wohl des Patienten zu orientieren und erst in zweiter Linie auf dessen Selbstbestimmungsrecht Bedacht zu nehmen.
Folgende Kriterien sind daher bei der Aufklärungsverpflichtung zu beachten:
- Risikohäufigkeit
- Dringlichkeit des Eingriffs
- Persönlichkeitsstruktur des Patienten
- Die Aufklärung hat jedenfalls umso weniger umfassend zu sein, je notwendiger der Eingriff in die Gesundheit des Patienten ist.
1.3. Reicht die Unterfertigung eines Revers durch den Patienten aus, um der Aufklärungsverpflichtung zu entsprechen?
Grundsätzlich nein.
Selbst wenn der Patient seine schriftliche Zustimmung zu einem Eingriff gibt, ersetzt diese Unterschrift nicht die nötige Aufklärung durch den Arzt. Die Unterschrift des Patienten führt genausowenig zu einem Haftungsausschluss des Arztes.
2. Dokumentationsverpflichtung
2.1. Was bedeutet die Dokumentationspflicht?
Nach dem Ärztegesetz ist jeder Arzt verpflichtet, Aufzeichnungen über jede zur Beratung übernommene Person, insbesondere über den Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung, die Vorgeschichte einer Erkrankung, die Diagnose, den Krankheitsverlauf sowie über Art und Umfang der Leistungen zu führen.
Weiters ist der Arzt verpflichtet, der beratenen oder behandelten oder der zu ihrer gesetzlichen Vertretung befugten Person alle Auskünfte zu erteilen, uzw. auch in Form von Kopien der Krankengeschichte.
2.2. Was sind die Folgen einer Verletzung der Dokumentationspflicht?
Verletzt der Arzt seine Dokumentationspflicht, so hat dies in einem allfälligen Prozeß in erster Linie beweisrechtliche Konsequenzen, die dazu führen, dass dem Patienten eine der Schwere der Dokumentationsverpflichtung entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt.
Diese Beweiserleichterung hilft dem Patienten im Prozess insoweit, als sie die Vermutung begründet, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen worden ist.