Ärztekammer für Tirol gegen Uraltreflexe in der Sozialversicherung

20.02.2020

Dynamische Entwicklung der medizinischen Versorgung berücksichtigen

Erschüttert zeigt sich der Präsident der Ärztekammer für Tirol, Artur Wechselberger, über die Vorschläge des Generaldirektors der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) Bernhard Wurzer zur Sanierung eines möglichen, über fünf Jahre kumulierten Abgangs von 1,7 Milliarden Euro. In einem, offensichtlich Wurzers beruflicher Herkunft geschuldeten Reflex (Wurzer war von 2013 – 2019 stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger), schlägt dieser vor, Finanzlöcher der Neo-Krankenkasse mit Einsparungen zulasten der Versorgung zu stopfen. Eine Uraltstrategie, die letztlich dazu geführt hat, dass Kassenstellen unbesetzt verwaisen, Wartezeiten bei den verbliebenen Vertragsärztinnen und -ärzten steigen und Patientinnen und Patienten zu Wahlärzten oder in Krankenhausambulanzen ausweichen. Ein Phänomen, das der Vertreter der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer für Tirol, Momen Radi, seit Jahren beobachtet. „Der ambulanten, sozialen Krankenversorgung, für die die Krankenkassen verantwortlich sind, laufen die Patienten und die Ärzte davon“, kommentiert er die Achillesferse der Einrichtung, für die Wurzer als leitender Mitarbeiter verantwortlich ist.

Detail zu den erwarteten Abgängen: Sie entstehen nicht in der Patientenversorgung, sondern sind hauptsächlich der Konsolidierung nach der Kassenzusammenlegung und der Sanierung von sozialversicherungsinternen Altlasten geschuldet. Dazu kommen noch mögliche Rückgänge bei den Beitragseinnahmen durch eine konjunkturbedingte Abnahme des derzeit hohen Beschäftigtenstandes. Statt das Rationalisierungspotential, das die Zusammenlegung bringen sollte, zu heben, versuchen die Verantwortlichen lieber andere Quellen anzuzapfen, erklärt der Vertreter der niedergelassenen Ärzte Radi, die durchschaubare Strategie nach dem Motto: „zahlen die anderen Versicherungen nicht in einen Topf zum Strukturausgleich zugunsten der ÖGK ein, dann zahlen eben die Versicherten durch eingeschränkte Versorgungsleistungen drauf“.

Hier hakt auch Kammerpräsident Wechselberger ein. Schließlich hätten die Sozialversicherten ein Anrecht darauf, die bestmögliche medizinische Versorgung zu erhalten, die die niedergelassenen Vertragspartner anzubieten in der Lage sind - flächendeckend im ganzen Land. Niemand, weder die Bevölkerung noch die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte oder die vielen anderen Vertragspartner hätten Verständnis dafür, dass ein für heuer mit etwa 175 Millionen kalkulierter, jährlich steigender und für 2024 hochgerechneter Abgang von 544 Millionen durch Leistungsreduktionen kompensiert werden müsse. Bei jährlichen Gesamtbudgets um die 15 Milliarden müsse es kreativere Ansätze für diese durchaus lösbare Managementaufgabe geben, bemerkt Wechselberger und fordert die Führung der Österreichischen Gesundheitskasse auf, ihre Entscheidungen der Dynamik der medizinischen Möglichkeiten und der Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten anzupassen.

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