Innsbruck/Wien (APA) - Nachdem Salzburgs Ärztekammerchef Karl Forstner den Rücktritt von Johannes Steinhart als Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) wegen staatsanwaltschaftlicher Untreueermittlungen gefordert hat, bekommt der oberste Ärztevertreter Rückendeckung aus Tirol. Steinhart müsse nicht zurücktreten, es gelte die Unschuldsvermutung, sagte Tirols Ärztekammerpräsident Stefan Kastner im APA-Interview. Die Aufforderung seines Salzburger Kollegen sei "entbehrlich" gewesen.
Kastner verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass sich Steinhart nach einer schweren Erkrankung noch im Krankenstand befinde, aber im September zurückkehren werde. Dann müsse man ihm die "Chance geben, sich zu erklären". Vor allem müsse er aber in seiner Wiener Ärztekammer, in der er auch als Präsident fungiert, "aufräumen", fordert der Tiroler Ärztekammerchef. "Dort gibt es bekannterweise viele Konflikte unter den Funktionären. Die dortigen Grabenkämpfe schaden der Reputation der Österreichischen Ärztekammer", fand Kastner klare Worte. Steinhart müsse dort "für klare politische Verhältnisse sorgen", schließlich sei die Anzeige gegen ihn auch Folge dieser Konflikte.
Auf die Frage, ob Steinhart im Falle einer Anklageerhebung zurücktreten müsse, meinte Kastner, dass auch dann noch die Unschuldsvermutung gelte. Sollte dies der Fall sein, müsse man eben die Situation wieder neu bewerten. Er wolle sich aber auf keine Spekulationen einlassen. Der oberste Tiroler Ärztevertreter betonte, dass es in einem Rechtsstaat üblich sei, dass im Falle einer Anzeige seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt werde: "Das kann in einem Rechtsstaat jeden treffen." Steinhart habe auch ihm gegenüber jedenfalls versichert, dass an den Vorwürfen nichts dran sei und diese zu Unrecht erhoben wurden.
Ähnlich äußerte sich Harald Schlögel, Präsident in Niederösterreich und in der ÖÄK als Erster Vizepräsident angesichts von Steinharts Erkrankung derzeit mit der Führung der Amtsgeschäfte betraut. "Das Vertrauen in Johannes Steinhart ist nach wie vor uneingeschränkt vorhanden. Darüber hinaus kommentiert die Ärztekammer für Niederösterreich laufende Verfahren nicht und weist in aller Deutlichkeit auf die geltende Unschuldsvermutung hin", betonte er. Die aktuell mit der Causa befassten unabhängigen Behörden sollten weiter "in Ruhe ihrer begrüßenswerten Aufklärungsarbeit nachgehen können".
Auch Christian Toth, Präsident der burgenländischen Ärztekammer, hält eine Rücktrittsaufforderung "zum jetzigen Zeitpunkt für überzogen" und unterstützt diese daher auch nicht. Er hätte sich in der Kammer insgesamt Geschlossenheit gewünscht, denn eine klare Linie aller Bundesländer nach außen hin sei das wichtigste. Man stehe in regem Austausch mit Steinhart, dieser habe seine Sicht der Dinge dargelegt. Steinhart werde derzeit als Beschuldigter geführt und so lange es keine Verurteilung gibt, gelte die Unschuldsvermutung, betonte Toth. Er räumte aber ein, dass man über die "Situation und die Vorgänge" in der Wiener Kammer nicht erfreut sei, "weil das insgesamt ein schlechtes Bild auf die Ärztekammer wirft".
In der oberösterreichischen Kammer verwies man auf eine Aussage des derzeit urlaubenden Präsidenten Peter Niedermoser gegenüber dem "Kurier" (Dienstagausgabe): "Das Vertrauen in Steinhart ist noch gegeben, es gilt die Unschuldsvermutung", wurde Niedermoser dort zitiert.
Vorarlbergs Ärztekammerpräsident Burkhard Walla erklärte, Vorverurteilungen seien grundsätzlich abzulehnen, rechtskräftige Urteile der Justiz seien jedoch anzuerkennen und "die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen". Da Steinhart das Amt krankheitsbedingt nicht ausübe, stelle sich die Frage nach einem Rücktritt bzw. einer Ruhendstellung derzeit nicht. Die Vorwürfe bezögen sich ausschließlich auf Steinharts Tätigkeit für die Ärztekammer Wien, nicht für die Österreichische Ärztekammer, betonte Walla. Er hoffte, dass diese "bald und vollständig aufgeklärt werden - stellen sie doch eine gewisse Belastung für alle anderen Landesärztekammern und die Österreichische Ärztekammer dar, auch wenn diese damit in keinster Weise etwas zu tun haben".
Am vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass Steinhart in der Causa rund um mutmaßliche Malversationen in der Tochtergesellschaft Equip4Ordi als Beschuldigter geführt wird. Laut Angaben der Wiener Staatsanwaltschaft geht es um den Verdacht der Beteiligung an Untreue.
Die Vorwürfe im Wirkungsbereich der Wiener Ärztekammer würden nicht nur deren Reputation schaden, sondern auch destruktiv auf alle Strukturen der ärztlichen Standesvertretungen in den Ländern und auf die Österreichische Ärztekammer wirken, hatte Salzburgs Ärztekammerpräsident Forstner daraufhin seine Rücktrittsaufforderung begründet. Steinhart wies die Anschuldigungen indes einmal mehr zurück: "Unverändert ist die Suppe sehr dünn, und ich wurde bisher nicht einmal als Zeuge angefragt."