Neuer Tiroler Ärzte-Chef für verpflichtenden Mediziner-Austausch

19.04.2022

Zwischen Kliniken und peripheren Häuser - Bemängelt "Wien-Tirol-Gefälle" bei Honoraren durch ÖGK

Innsbruck (APA) - Tirols Ärztekammerpräsident Stefan Kastner tritt für einen verpflichtenden Austausch von Ärzten in Ausbildung zwischen Kliniken und peripheren Einrichtungen, also Bezirkskrankenhäusern, ein. Jungärzte sollten beiden Seiten kennenlernen, "zumindest für die großen Medizin-Fächer" müsste dies angegangen werden, sagte Kastner im APA-Interview. Zudem übte er scharfe Kritik an der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wegen eines "Wien-Tirol-Gefälles " bei der Ärzte-Honorierung.

Als eine Art Vorbild in Sachen verpflichtenden Austausch zwischen "Zentrum und Peripherie" sah der neue Tiroler Ärztekammerpräsident, der Ende März von der Vollversammlung gewählt worden war, die Niederlande. Dort werde dies praktiziert. "Mein Wunsch ist es, das auch bei uns schrittweise zu machen. Man sollte zumindest mit einzelnen großen Fächern anfangen, die es überall gibt", erklärte Kastner. So wie im niedergelassenen und Krankenhausbereich brauche es auch zwischen den Krankenhäusern eine Durchlässigkeit. "Überall, wo ich Kontakte und Lebensräume des andere kenne, werde ich auch besser für den anderen mitdenken können", gab der Chirurg mit eigener Praxis in Innsbruck zu bedenken.

Unterdessen sparte Kastner nicht mit Kritik an der ÖGK in Sachen Honorierung: "Es gibt gleiche Leistungen, die in Wien bei der ÖGK um 30 Prozent höher dotiert sind als in Tirol. Obwohl die ÖGK-Versicherten im Westen das Gleiche von ihrem Lohn für die Kasse abgeben müssen wie jene im Osten, eine Harmonisierung der Tarife muss hier im oberen Bereich erreicht werden". Dies habe schon auch eine indirekte Folge für die Patienten, indem nämlich die Ärzte, die sie aufsuchen wollen, schlechter finanziert sind - und sie vielleicht auch weniger Medizinerinnen und Mediziner vorfinden.

Es sei nicht Schuld der Ärzte, wenn es in manchen Regionen weniger besetzte Kassenstellen gebe: "Es ist die Verpflichtung einer Gesundheitskasse, für ihre Versicherten eine wohnortnahe, niedergelassene Versorgung zu sichern". Seit die ÖGK bestehe, sei es nicht gelungen, einen gemeinsamen Honorar- oder Leistungskatalog zu erstellen, bemängelte der Tiroler Ärztekammerchef. Bei den Kassenverträgen der Ärzte sah Kastner generell Handlungsbedarf. Der klassische Kassenvertrag sei heutzutage "relativ unattraktiv" - mit teilweise zu niedrigen Honoraren, basierend auf einem "uralten Honorarkatalog".

Auch darüber hinaus sah Tirols oberster Ärztevertreter einiges an gesundheitspolitischen Baustellen und Herausforderungen, die es anzugehen gelte. Es drohe ein "massiver Ärztemangel", allein wenn man an die "Pensionierungswelle der Babyboomer" im niedergelassenen Bereich denke. An vielen Stellschrauben müsse gedreht werden, um angehende Ärzte dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden. Kreative Zusammenarbeits- und Vertretungsmodelle müssten geschaffen und möglich gemacht werden. "Es braucht neue Freiheiten", so Kastner. Gleichzeitig müssen auch geänderte Lebensmodelle berücksichtigt werden, wie etwa ein stärkerer Wunsch nach "Work-Life-Balance" bei angehenden Medizinern.

Mit allen Mitteln müsse verhindert werden, dass heimische Ärztinnen und Ärzte das Land verlassen, weil sie in anderen europäischen Ländern bessere Arbeitsbedingungen vorfinden. "Jeder, der sich für eine Stelle bewerben will, muss abgeholt werden", gab der Ärztekammerchef die Marschrichtung vor. Und sei es dadurch, dass zur Überbrückung sogenannte "Pufferstellen" geschaffen würden.

Dringend notwendig sei zudem eine konkrete und fundierte Bedarfserhebung in jedem Bundesland, in welchen Bereichen man "in zehn Jahren Ärzte brauchen wird". Dies sei eine gemeinsame Aufgabe von Politik und allen gesundheitspolitischen Playern: "Diese Entwicklung muss abgeschätzt festgestellt werden. Und dann müssen Maßnahmen damit verknüpft werden, dass man in den benötigten Bereichen verstärkt ausbildet".

Mit der Kritik seines Langzeit-Vorgängers Artur Wechselberger am derzeitigen Standing bzw. der Positionierung der Bundesärztekammer rund um Noch-Präsident Thomas Szekeres ging Kastner konform. "Es steht alles still. Es braucht eine Änderung der Aktivität", hatte Wechselberger im APA-Interview im Februar gemeint. "Viele Sachen gehören dringend geändert", pflichtete Kastner bei. So habe die Bundesärztekammer bisher wohl in vielen Bereichen "zu wenig straffe Konzepte" eingefordert, so der Tiroler Ärztekammerchef, der mit der früheren Wechselberger-Gruppierung "Verein unabhängiger Tiroler Ärzte" die absolute Mehrheit verteidigte.

Dass der ÖVP-nahe Johannes Steinhart am 24. Juni aus dem Kreis der Landes-Präsidenten zum Präsidenten der Bundesärztekammer gewählt wird, sei "nicht unwahrscheinlich", so Kastner. Wichtig sei, dass unter einer neuen Führung wieder die Interessen der "Gesamtschaft der Ärzteschaft" vertreten würden.

ede/aku

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