Primärversorgungseinheiten in Tirol: Ärztekammer fordert endlich klare Vorgaben für rasche Umsetzung

05.10.2022

Bereits seit 2017 verhandelt die Ärztekammer für Tirol mit dem Land und der ÖGK darüber, in Tirol sogenannte Primärversorgungseinheiten (PVE) zu schaffen. Das aktuell vorliegende Angebot sei laut Standesvertretung der Tiroler Ärztinnen und Ärzte jedoch weder konkret noch attraktiv genug. Die Ärztekammer pocht daher auf eine rasche Lösung, um Klarheit zu schaffen und eine baldige Umsetzung der PVE zu ermöglichen.

Unter medizinischer Primärversorgung versteht die Ärztekammer für Tirol eine allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung. „Außer Diskussion steht, dass Primärversorgung allen relevanten Stakeholdern im Gesundheitswesen ein wichtiges Anliegen und für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung unabdingbar ist“, betont Tirols Ärztekammerpräsident Stefan Kastner. „Primärversorgung wird von den Tiroler Ärztinnen und Ärzten seit jeher mit viel Einsatz wahrgenommen, dabei fungieren die Hausärzte als Drehscheibe. Die im niedergelassenen Bereich seit Jahren etablierten Ärztenetzwerke sind nur ein Beispiel dafür.“

Nach dem Willen der Gesundheitspolitik soll Primärversorgung auch in sogenannten Primärversorgungseinheiten, die ÄrztInnen und andere Gesundheits- und Sozialberufe in einem Netzwerk umfassen, stattfinden – bereits 2017 wurde vom Nationalrat das Primärversorgungsgesetz beschlossen. „Jedoch hat sich gleich zu Beginn herausgestellt, dass die Rahmenbedingungen dieses Gesetzes für eine flächendeckende Umsetzung nicht geeignet und klar genug sind bzw. der Gesetzgeber auf die verschiedenen Voraussetzungen in Österreich nicht eingegangen ist. So ist die Situation der Primärversorgung schon allein aus geographischer Sicht in Wien nur schwer mit Tirol zu vergleichen“, erläutert Momen Radi, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in Tirol. „Es wurde immer wieder kolportiert, dass wir als Ärztekammer gegen die Umsetzung solcher PVE sind. Das ist aber definitiv nicht wahr, wir sind sehr wohl dafür; unter den entsprechenden Voraussetzungen, die momentan aber nicht gegeben sind.“

 

Konkretes und attraktives Angebot fehlt

Aus der Überzeugung heraus, dass in gewissen Teilbereichen auch Primärversorgungseinheiten in Tirol durchaus Sinn ergeben, führt die Ärztekammer gemeinsam mit interessierten ÄrztInnen seit mehreren Jahren Verhandlungen mit der ÖGK und dem Land. „Die involvierten ÄrztInnen haben bereits eine Vielzahl von Arbeitstagen investiert, dennoch liegt immer noch kein annehmbares, attraktives Angebot vor“, so Stefan Kastner. „Nach wie vor gibt es rechtliche Unklarheiten, die immer noch nicht beseitigt wurden – und auch die konkreten Vertragsgrundlagen lassen auf sich warten, um beurteilen zu können, ob die Vorstellungen der Gesundheitspolitik für die ÄrztInnen auch umsetzbar sind. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich die Zentralisierung der ÖGK als Hemmschuh dar, da viele Entscheidungen nicht mehr auf kurzem Weg in Tirol getroffen werden können, sondern mit der ÖGK-Zentrale abgestimmt werden müssen; zum Nachteil der PatientInnen und der ÄrztInnen.“

Ärztekammerpräsident Kastner und Kurienobmann Radi fordern daher die künftige Landesregierung auf, gemeinsam mit der ÖGK möglichen Bewerbern um eine Primärversorgungseinheit entgegenzukommen, zügige Verhandlungen mit klaren Vertragsentwürfen zu präsentieren und nicht Steine in den Weg zu legen. Des Weiteren sollen laut Kastner unbedingt bereits bestehende Primärversorgungseinrichtungen gefördert werden.  Die klassische hausärztliche und kinderärztliche Versorgung brauche dringend verbesserte Rahmenbedingungen. Hier könne in Tirol zum Großteil auf einem soliden Fundament aufgebaut und schnell positive Entwicklungen für die Bevölkerung erreicht werden. Kastner: „Wenn es nicht gelingt, die PVE zu realisieren, dann muss zumindest in vorhandene Strukturen investiert werden. Aber es ist auch beides parallel denkbar und wünschenswert.“

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