Präsidenten der Landesärztekammern: „Setzen wir uns zusammen, Herr Minister!“

09.02.2023

„Wir haben gute Ideen und sind an der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens interessiert“, betonen die neun Landesärztekammer-Präsidenten.

„Wir wissen, was es jetzt braucht“, sagt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer stellvertretend für die Landesärztekammer-Präsidenten: „Wir kennen die Probleme des Systems und wissen aus dem täglichen Kontakt der Ärztinnen und Ärzte mit den Patientinnen und Patienten ganz genau, wo anzusetzen ist.“ Daher sprechen die Präsidenten der neun Landesärztekammern eine Gesprächseinladung an Gesundheitsminister Johannes Rauch aus: „Setzen wir uns zusammen und reden wir auf Augenhöhe und konstruktiv über die Herausforderungen der kommenden Jahre. Das bringt uns und der gesamten Bevölkerung mehr als uns gegenseitig Vorwürfe auszurichten.“ Schließlich sei eine starke und leistungsfähige niedergelassene Versorgung ein großes gemeinsames Anliegen, das auch zur Entlastung der Spitäler diene.

„Natürlich gibt es auch Grundsätze, auf die wir als Standesvertretung eines freien Berufs zu achten haben. Wir freuen uns, dass Minister Rauch nun auch betont hat, dass es mit Zwangsmaßnahmen nicht gehen wird“, sagt Steinhart. Beim Thema Impfen in Apotheken sei es die Pflicht der Ärzteschaft, die Patientensicherheit zu bewahren, hebt Steinhart hervor. „Zudem wäre es einfach unnötig – Ärztinnen und Ärzte sind bestens dafür ausgebildet und auch am niederschwelligen Zugang zu Impfungen besteht in Österreich kein Mangel“, so Steinhart.

Es gibt kein „Vetorecht“

Eines ist festzuhalten, sagt Steinhart: „Ärztekammern haben kein ‚Vetorecht‘ im landläufigen Sinne, dass eine Minderheit das Recht hat, einen Mehrheitsentscheid zu verhindern. Davon kann gar keine Rede sein.“ Die Zahl der Kassenärztestellen lege die Landeszielsteuerungskommission über die RSG (Regionale Strukturpläne Gesundheit) fest, Ärztekammern und Sozialversicherung kümmern sich konsensual um die Ausgestaltung dieser Kassenstellen. „Es sitzen zwei Parteien am Tisch, die auf Augenhöhe miteinander verhandeln und Gespräche führen – das ist es. Bislang war dieser Weg erfolgreich und von gegenseitigem Respekt geprägt, auch wenn es vereinzelt vorgekommen ist, dass ein Partner einen Wunsch nicht durchsetzen konnte“, so Steinhart, der darauf verweist, dass in Wien beispielsweise die Kasse trotz großem Interesse seitens der Ärzteschaft lange Gruppenpraxen abgelehnt habe und auch andere Verbesserungen schon an Politik oder Kasse gescheitert seien.

„Klar ist aber auch, dass es nie an guten Ideen und Einsatzfreude der Ärztekammern mangelt. Auf Bundesebene haben wir in jahrelanger harter Arbeit einen einheitlichen Leistungskatalog erarbeitet“, so Steinhart. Zudem gebe es in jedem Bundesland erfolgreiche Konzepte und Ideen, die die Landesärztekammern entweder entwickelt oder mitgestaltet haben, wie die folgende Leistungsschau dokumentiert:

Burgenland: „Mit der Akutordination mit Visitenärzten haben wir ein Modell entwickelt, das in Zeiten des Ärztemangels mit zunehmend schwer zu besetzenden Kassenstellen einerseits eine Patientenversorgung in den Randzeiten garantiert und andererseits die Belastung der Allgemeinmediziner reduziert“, unterstreicht Christian Toth, Präsident der Ärztekammer für Burgenland. Darüber hinaus werde die Zahl der Selbsteinweiser reduziert und damit Spitäler in Spitzenzeiten entlastet. Bei der Frage der Wochenend- und Bereitschaftsdienste befinde man sich längst in sehr positiven Gesprächen mit dem Land, betont Toth. Die burgenländischen Gesundheitstage und die Verbesserung der Notarzthonorare seien weitere Positivbeispiele.

„Auch in Kärnten funktioniert die Zusammenarbeit mit Land und Kasse im Regelfall sehr gut“, konstatiert Markus Opriessnig, Präsident der Ärztekammer für Kärnten. Aktuell sei im niedergelassenen Bereich jeweils lediglich eine Kassenstelle für Allgemeinmedizin und eine Facharztstelle offen, das sei eine deutliche Bestätigung dieser Aussage, Streitfälle seien eine Ausnahme. „Wegen der Nachbesetzung einer Planstelle für Radiologie in Althofen musste die Ärztekammer erst ein zweijähriges Streitverfahren gewinnen, um eine Blockade der ÖGK zu beenden“, so Opriessnig. Im Rahmen der COVID-Pandemie habe die Zusammenarbeit mit der ÖGK hervorragend funktioniert, die rasche Implementierung eines COVID-Visitendienstes und die Umsetzung des Impfkonzeptes im niedergelassenen Bereich hätte im Zusammenspiel ein erstklassiges Service für die Bevölkerung dargestellt, im Spitalsbereich hingegen werde es notwendig sein, in den kommenden Monaten so rasch als möglich Gespräche mit dem Land hinsichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Ärzten zu führen und diese umzusetzen, um eine „Krankenhausflucht“ insbesondere aus den Kärntner Landesspitälern zu verhindern.

Niederösterreich: „Im Kampf gegen die offenen Kassenstellen haben sich Ärztekammer und ÖGK zusammengesetzt und gemeinsam ein ganz neues und innovatives Modell auf den Weg gebracht, das vielen Kolleginnen und Kollegen den Weg in eine Kassenordination ermöglicht, ohne gleich das wirtschaftliche Risiko auf sich zu nehmen“, sagt Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich. Über den ins Leben gerufenen Bereitstellungsdienst gebe es einen Pool an Ärztinnen und Ärzten, die vorübergehend an offenen Kassenstellen die Versorgung sicherstellen, bis diese Stelle wieder besetzt werden kann, beschreibt Schlögel das Modell. Auch die Gehaltserhöhung für angestellte Ärztinnen und Ärzte sowie die Erhöhung der Impfhonorare seien positive Beispiele für gelungene Zusammenarbeit zwischen den Systempartnern.

Tirol: „Wir befinden uns längst in konstruktiven Gesprächen mit dem Land, um die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu meistern“, betont Stefan Kastner, Präsident der Ärztekammer für Tirol. Aktuell laufe eine Ärztebedarfsstudie zur differenzierten Ausbildungsoffensive je nach betroffenem Sonderfach gemeinsam mit Land und ÖGK. Eine Reform der Nacht- und Wochenenddienstbereitschaften wird derzeit verhandelt. Zudem arbeite man gemeinsam an einer verbesserten Patientensteuerung über die Hotline 1450.

Oberösterreich: „Die Entwicklung der Primärversorgungseinheiten läuft sehr gut, wir haben bereits zehn PVE eröffnet“, sagt Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich. Zudem würden andere ärztliche Kooperationsformen wie erweiterte Vertretung oder Nachfolgepraxis bereits gemeinsam ausgearbeitet. Diese Zusammenarbeit mache sich auch beim sogenannten „Arzneimitteldialog“ sehr positiv bemerkbar. „Dadurch haben sich die Medikamentenkosten in Oberösterreich sehr moderat entwickelt und dennoch bekommt jede Patientin und jeder Patient weiterhin alle notwendigen Arzneimittel. Die ersparten Mittel fließen in die Verbesserung der Versorgung“, so Niedermoser. Die Abschaffung der Chefarztpflicht brachte ebenfalls wesentliche administrative Erleichterungen für Patientinnen und Patienten. Das neue Projekt „neuAMstart“ von ÖGK und Ärztekammer, ein Ärztementoring für Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, solle künftig die hausärztliche Versorgung im Bundesland weiter verbessern.

In Salzburg verweist Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer für Salzburg, auf die erfolgreiche Umsetzung von zahlreichen versorgungsrelevanten Maßnahmen mit dem Land und der Kasse. „Es gibt einen flächendeckenden Bereitschaftsdienst der Kassenärztinnen und Kassenärzte für Allgemeinmedizin an Wochenenden, Feiertagen und in den Nächten der Wochentage“, so Forstner. Aufgrund von bereits vor Jahren eingeleiteten Maßnahmen zur Flexibilisierung der Zusammenarbeit in den Arztpraxen und durch die nachhaltige Arbeit in der „Salzburger Initiative Allgemeinmedizin SIA“ seien zudem alle Kassenstellen für Allgemeinmedizin besetzt – mit den im Durchschnittsalter jüngsten Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern in Österreich, so Forstner. Die vier offenen Kassenstellen im Facharztbereich würden nur 1,3% der bundesweit 300 offenen Kassenstellen bedeuten, zudem sei in den vergangenen zehn Jahren in Salzburg die Anzahl der Kassenärztinnen und Kassenärzte im Vergleich zur Bevölkerungsentwicklung überproportional gestiegen. „Eine Ausbildungsinitiative in der Kinder- und Jugendheilkunde mit Lehrpraxis nach dem Vorbild der oben beschriebenen Maßnahmen soll langfristig Versorgungsengpässen in der Kinderheilkunde entgegenwirken“, hält Forstner fest.

Steiermark: „Die Ärztekammer hat die Notarztentlohnung reformiert, die vom Land umgesetzt wurde. Die Kritik am Notärztemangel ist seither verstummt“, sagt Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer für Steiermark. Zudem gebe es auf Initiative der Ärztekammer Bereitschaftsdienstordinationen auch an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 15 bis 18 Uhr. Die vom Land als „Abendordinationen“ bezeichneten Angebote bringen eine deutliche Verbesserung, so Sacherer, der auch darauf verweist, dass mit der ÖGK Steiermark ein neuer Tarifvertrag entwickelt wurde, der auch die Viertage-Woche für kassenärztliche Ordinationen bringen wird. „Eine signifikante Verbesserung, die viel mehr junge Ärztinnen und Ärzte dazu bringen sollte, einen ÖGK-Vertrag anzunehmen“, sagt Sacherer: „Man sieht: Wir sind reformfreudig und reformfähig. Wichtig ist uns, dass die Lösungen auch funktionieren und nachhaltige Vorteile für die Bevölkerung bringen.“

„In Vorarlberg funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Ärztekammer und Land, aber auch mit der ÖGK, auf verschiedensten Ebenen seit jeher sehr konstruktiv und gut“, hebt Burkhard Walla, Präsident der Ärztekammer für Vorarlberg, hervor und verweist auf Projekte wie das Schmerzboard Vorarlberg oder die Entwicklung und den Betrieb des Gesundheitsnetz Vorarlberg, welches zur gesicherten medizinischen Datenübertragung zwischen intra- und extramuralen Bereich genutzt wird. Zudem stelle eine gemeinsame Gesellschaft des Landes und der Ärztekammer die gesamte labormedizinische Versorgung im Ländle sicher. Gemeinsam habe man sehr erfolgreiche Lehrpraxisprojekte in der Allgemeinmedizin und in den Facharztbereichen Kinder- und Jugendheilkunde sowie Augenheilkunde und Optometrie umgesetzt und die Form der Vorsorgekoloskopie in Vorarlberg, die von der Ärztekammer initiiert und vom Land und der ÖGK finanziert werde, sei österreichweit einzigartig. „In Vorarlberg gilt der Grundsatz, dass man gemeinsam mehr erreicht“, so Walla.

Wien: Aktuell läuft eine große PVE-Offensive, bis zur Jahreshälfte 2023 sind bereits fünf weitere Eröffnungen geplant. Zudem habe man auch schon ein eigenes Konzept für PVE für Kinderheilkunde ausgearbeitet, betont Steinhart als Präsident der Ärztekammer für Wien: „Wir sehen also quer durch alle Bundesländer: Wer mit uns auf Augenhöhe spricht, bekommt einen konstruktiven Partner mit Handschlagqualität. Ohne uns wird es nicht gehen, daher bieten wir gerne unsere Expertise und unsere Zusammenarbeit an.“

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