Als Bankrotterklärung der sozialen Krankenversicherung, bezeichnet der Präsident der Ärztekammer für Tirol Artur Wechselberger den Vorschlag des Generaldirektors Bernhard Wurzer, die ambulante Patientenversorgung vermehrt in die Krankenhausambulanzen zu verlagern. Dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ihre Verantwortung für die ambulante Versorgung lieber in öffentliche Hände legt als selbst initiativ zu werden, könne durchaus als konsequente Fortsetzung der jahrelangen Strategie der Ausdünnung der kassenärztlichen Versorgung interpretiert werden, kritisiert Wechselberger.
Undurchdacht und wirtschaftlich fragwürdig
„Die Aussagen von ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer sind unüberlegt, nicht durchdacht und wirtschaftlich höchst fragwürdig“, kritisiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Wurzer hatte zuletzt mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, Partnerschaften mit den Ambulanzen einzugehen und beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen in den Spitalsambulanzen durchzuführen. Die ÖGK könne sich dafür „an den Kosten für zusätzliche Spitalsärzte beteiligen“. „Der gesamte Gesundheitsbereich gehört finanziert und medizinische Leistungen dort erbracht, wo sie im Sinne einer optimalen, flächendeckenden Patientenversorgung am sinnvollsten sind“, sagt Szekeres.
Fernab der Realitäten
Die Aussagen Wurzers seien „vollkommen realitätsfern“ und würden „die Rolle von Spitälern komplett ignorieren“, ergänzt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Die Ambulanzen seien bereits jetzt massiv überlastet. „Unsere Spitalsärzte arbeiten am Limit. Und das nicht zuletzt deswegen, weil viele Patienten aus Mangel an einem Angebot im niedergelassenen Bereich die Spitäler für Bagatellfälle aufsuchen“, kritisiert Mayer. „Spitalsambulanzen sollten nur jene Aufgaben erfüllen, die auch sinnvoll sind und im niedergelassenen Bereich nicht erbracht werden können“, fordert Mayer. „Die Idee Wurzers, an den Tagesrandzeiten Untersuchungen in der Ambulanz zu erhalten, ist nicht durchführbar. Schon jetzt fehlen Spitalsärzte.“
Zudem sei die Idee Wurzers „ökonomisch komplett widersinnig“: „Spitäler sind der teuerste Faktor in der Gesundheitsversorgung“, sagt Mayer. Der Vorschlag Wurzers würde nur die Kosten für die Länder, die hauptsächlich die Spitäler finanzieren, in die Höhe treiben. „Es geht hier wohl nur um die Verschiebung des Defizits“, kritisiert der ÖÄK-Vizepräsident und fordert: „Bitte spielen Sie nicht mit den Geldern zulasten der Patienten.“
System nicht verstanden
„Bernhard Wurzer hat immer noch nicht verstanden, wie das österreichische Gesundheitssystem funktioniert“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Es geht nicht darum, den niedergelassenen Bereich zu erodieren und so der ÖGK Einsparungen zu verschaffen, sondern es geht darum, der Bevölkerung eine flächendeckend hochwertige, zuverlässige und nachhaltige Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen“, so Steinhart. Das werde nur mit Investitionen wie der versprochenen Patientenmilliarde gelingen, keinesfalls aber mit abenteuerlichen und durchsichtigen Rechentricks. „Die Verantwortlichen sollten sich überlegen, ob ein ÖGK-Generaldirektor mit derart mangelhaftem Fachwissen, der öffentlich derart undurchdachte Ideen äußert, noch tragbar ist“, regt der ÖÄK-Vizepräsident an.