Finanzausgleichsverhandlungen - Abschaffung der Sozialpartnerschaft zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung

07.11.2023

Aufgrund der aktuellen politischen Finanzausgleichsverhandlungen und den dadurch drohenden Folgen für die Ärzteschaft, finden Sie beiliegend und untenstehend unser Schreiben an die verantwortlichen Tiroler Politiker:innen

Finanzausgleichsverhandlungen - Abschaffung der Sozialpartnerschaft

Wir bitten Sie in Bezug auf das geplante Legistikpaket zum Finanzausgleichsgesetz um Ihre Unterstützung.

In den uns derzeit vorliegenden Entwürfen einer Gesetzesnovelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz sind für die Gesundheitsversorgung einige extrem negative Entwicklungen vorgesehen.

Insbesondere soll – ohne, dass irgendeine Notwendigkeit besteht – das Gleichgewicht zwischen der Sozialversicherung als Zahler und der Ärztekammer als Vertreter der Leistungsanbieter in einem System, das dem System der Kollektivvertragspartner vergleichbar ist, ausgehebelt werden.

Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene ärztliche Gesamtvertrag regelt vor allem die den Kassenärzten zu zahlenden Tarife und Arbeitsbedingungen. Dieser Gesamtvertrag wurde im Jahr 1955 als Gegengewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Monopol der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt, da es sich bei der sozialen Krankenversicherung um einen Nachfragemonopolisten handelt.
 
Man war sich schon damals bewusst, dass man keine fairen Bedingungen für die Kassenärzteschaft erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolnachfrager sich jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten. Dieser kollektive Schutz der Kassenärzte soll nun mit den Begleitgesetzen zum Finanzausgleich abgeschafft werden: Die Sozialversicherung (und zwar die Zentralstellen in Wien, nicht die Landesstellen) soll sich künftig aussuchen können, ob sie über einen Gesamtvertrag oder über Direktverträge mit einzelnen Ärzten zu günstigeren Tarifen kommt. Und das nicht nur für zukünftige Verträge.

Damit wird die Gesundheitssozialpartnerschaft (Ärztekammer/Sozialversicherung) faktisch abgeschafft. Das wäre genauso, wie wenn bei Verhandlungen zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern die Dienstgeber bei Nichteinigung einseitig entscheiden könnten. Das ruiniert diese Sozialpartnerschaft und wird dazu führen, dass künftig verstärkt Ärzte aus dem Kassensystem abwandern werden, weil niemand mehr da ist, der vernünftige Arbeitsbedingungen für die Kassenärzte durchsetzen kann. Dieses System wird uns in eine Oppositionsrolle drängen, bei der wir in Zeiten des Ärztemangels nicht mehr als konstruktiver Verhandlungspartner zur Verfügung stehen können und werden.

Die geplante Novelle soll ohne öffentliches Begutachtungsverfahren und ohne Verhandlungen mit der Ärztekammer in einem nicht themenbezogenen Ausschuss im Nationalrat behandelt und als Beiwerk zu Gesetzen, die unter einem anderen Titel stehen, in Kraft gesetzt werden.

Die geplanten Regelungen zerstören das traditionell sehr gute Miteinander in Tirol. Es ist für die Sicherung der kassenärztlichen Versorgung in Tirol wichtig, dass die Ärztekammer ein Sozialpartner auf Augenhöhe bleibt, um auch die Aspekte der Leistungserbringer in gemeinsame Lösungen einfließen zu lassen. Die Durchsetzung von Lösungen ohne Einbindung der Leistungserbringer bzw. gegen die Leistungserbringer ist zu kurz gedacht und wird nicht funktionieren.

Für Gespräche/Telefonate stehen wir Ihnen allen sehr gerne zur Verfügung. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung im Interesse des Tiroler Gesundheitssystems und der Tiroler Patientinnen und Patienten.

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